Quelle: Kontrafunk aktuell vom 11. November 2025 Dienstag, 11. November 2025, 5:05 Uhr Martina Binnig: EU errichtet „28. Regime“

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Die Europäische Kommission will im kommenden Jahr ein sogenanntes 28. Regime einführen. Das klingt mysteriös, und das ist es auch. Kurz gesagt handelt es sich dabei um ein rechtliches Paralleluniversum, sozusagen um einen fiktiven 28. EU-Mitgliedstaat, mit dem ein einheitlicher Rechtsrahmen für Unternehmen geschaffen werden soll. Und zwar vor allem für Start-ups – also für junge Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial. Die haben sich laut EU-Kommission nämlich darüber beklagt, dass die derzeitigen Verfahren für Unternehmensgründungen in der EU nicht einfach, schnell und digitalisiert genug seien.

Eine vereinheitlichte Rechtsform soll es nun innovativen Firmen erleichtern, grenzüberschreitend in der EU unternehmerisch tätig zu werden. Dafür müssen jedoch bestehende nationale Vorschriften in Bereichen wie Insolvenz-, Steuer- und Arbeitsrecht umgangen werden. Außerdem soll der neue Rechtsrahmen standardmäßig auf digitalen Lösungen beruhen. Und nicht zuletzt will die Initiative die geplante Europäische Brieftasche für Unternehmen ergänzen, die bereits Ende dieses Jahres eingeführt werden soll. Dadurch will die EU-Kommission eine digitale Identität für alle Wirtschaftsakteure etablieren, um eine nahtlose digitale Interaktion zwischen ihnen und den öffentlichen Verwaltungen in der gesamten EU zu ermöglichen. So könnten Unternehmen künftig innerhalb von 48 Stunden digital gegründet werden und zum Beispiel auch ein zentrales EU-Handelsregister entstehen.

Und genau hier wird klar, worum es der Kommission wirklich geht: Unter dem Deckmantel der Förderung von Start-ups soll die Zentralisierung der EU Richtung Superstaat vorangetrieben werden. Was dazu führen würde, dass die demokratisch legitimierten Instanzen der einzelnen Mitgliedstaaten weiter geschwächt würden, während die von keinem EU-Bürger gewählte EU-Kommission an Macht hinzugewinnen würde. Denn die supranationale Sonderrechtszone würde sich außerhalb der steuerlichen Kontrolle der Mitgliedstaaten befinden und die nationalen Parlamente schlichtweg aushebeln. Unternehmen könnten dann flugs aus dem Gültigkeitsbereich der nationalen Gesetze in denjenigen des neuen EU-Alternativstaates wechseln. Dieses Parallelrecht würde die Rechtsordnungen der EU-Länder dauerhaft entwerten und zum Beispiel auch Arbeitnehmerrechte unterhöhlen.

Zudem steht das 28. Regime im Zusammenhang mit der angestrebten Spar- und Investitionsunion der EU, die das konkrete Ziel hat, die Ersparnisse der EU-Bürger in Investitionen vor allem in vermeintlich klimaneutrale Technologien und die Rüstungsindustrie zu lenken. Wobei die EU-Kommission stur auf der vollständigen Dekarbonisierung der Industrie beharrt. In ihrem Arbeitsprogramm für 2026 bekräftigt sie ausdrücklich, dass die EU bei sauberen und digitalen Innovationen eine globale Führungsrolle übernehmen soll. Und auch der Europäische Rat betont seine Entschlossenheit, die Volkswirtschaften klimaneutral umzugestalten. Dazu müsse noch vor 2030 eine EU-Energieunion geschaffen werden. In seiner Position für die UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém sicherte der Rat denn auch zu, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent verglichen mit dem Stand von 1990 zu senken. Zwar könnte das 28. Regime auch zum Abbau von unsinniger und überflüssiger Bürokratie beitragen. Doch der Vorschlag der EU-Kommission läuft in erster Linie auf ihre eigene Kompetenzerweiterung und auf die Zementierung ihrer politischen Linie hinaus, namentlich auf Green Deal und Aufrüstung. Denn vor allem hier sollen die Start-ups aktiv werden. Damit ist das 28. Regime primär ein weiterer Baustein im immer totalitäreren EU-Gebäude.